August 12

Die 7 größten Fehler bei der Bodenarbeit

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Möchtest du wissen, wie du dein Pferd optimal am Boden auf das Reiten vorbereiten kannst? Fragst du dich, warum Pferde sich auf den Zügel legen oder sich gegen deine Reiterhand wehren? Möchtest du wissen, warum Pferde durch falsche Bodenarbeit zum Buckeln animiert werden, und was eine Handtasche mit der Vorhandlastigkeit deines Pferdes zu tun hat? 

Der Artikel auf einen Blick

  1. Fehler: Ständig an der Vorhand und dem Kopf des Pferdes agieren.
  2. Fehler: Bei der Bodenarbeit zu nah am Pferd stehen.
  3. Fehler: Das Pferd am Strick hinter sich herziehen.
  4. Fehler: Ständig die Hinterhand des Pferdes aktivieren.
  5. Fehler: Das Pferd ohne Körpersprache im Kreis longieren.
  6. Fehler: Das Pferd durch schlechtes Timing abstumpfen.
  7. Fehler: Dem Pferd nicht beibringen, still stehen zu bleiben.

1. Fehler: Die Vorhand betonen


Möchtest du, wie die meisten Reiter, dass dein Pferd weniger die Vorhand belastet und mehr Gewicht mit der Hinterhand aufnimmt? 

Dabei kannst du deinem Pferd helfen, im täglichen Umgang, ganz ohne aufwendiges Training. Wie das geht?

  • Beobachte einmal, welche Auswirkungen eine Handtasche auf die Körperhaltung einer Frau hat.Viele Frauen, die eine Handtasche tragen, beispielsweise an der rechten Seite, ziehen mit der Zeit die Schulter leicht hoch, damit die Handtasche nicht runter rutscht.
  • Frauen, die das jahrelang so machen, gehen später in der gleichen Haltung, also mit hochgezogener Schulter, auch wenn sie keine Handtasche tragen. Warum? Weil ihr gesamter Körper sich an diese Haltung daran gewöhnt hat und sie als normal abgespeichert hat. 

Und was hat das jetzt mit der Vorhandlastigkeit des Pferdes zu tun?  

Wenn du ständig beim Pferd vorne am Gesicht beschäftigt bist, betonst du genau diesen Körperteil, also Kopf, Hals und Vorhand.

Sei es, dass du das Pferd unbedingt streicheln möchtest, sei es, dass du dem Pferd irgendetwas anlegen oder es putzen möchtest. 

Beobachte einmal, wie sich deine ReiterkollegInnen im Stall verhalten. Viele Menschen konzentrieren sich sehr oft auf den Kopf des Pferdes. 

Ich verstehe das sehr gut, denn erstens sind wir so konditioniert (bei Kindern und Hunden beispielsweise verhalten wir uns ähnlich). Und zweitens ist der Kopf eines Pferdes wunderschön: Diese Augen, das weiche Maul, sein Atem. Wer könnte da widerstehen.

Allerdings tust du deinem Pferd keinen Gefallen, wenn du dich ständig auf seinen Kopf und Hals konzentrierst. Dadurch lenkst du die Aufmerksamkeit des Pferdes auf diese Körperregionen. 

Beim Reiten soll das Pferd Last mit der Hinterhand aufnehmen.

Dann passiert genau das, was die Handtasche mit der Schulter der Frau macht. Das Pferd denkt und fühlt zunehmend im vorderen Teil seines Körpers. Es betont immer mehr seine Vorhand.

Und beim Reiten wollen wir das genaue Gegenteil. Wir wollen doch eher, dass das Pferd nicht auf der Vorhand durch die Gegend latscht, sondern mehr Last mit der Hinterhand aufnimmt und aktiv mit  der Hinterhand arbeitet. 

Also: Halte dich nur, wenn es nötig ist, am Kopf deines Pferdes auf. 

Das gilt auch bei der Begrüßung. Ich gehen nicht direkt zum Kopf des Pferdes und bleibe dann da stehen. Ich lassen das Pferd kurz an meiner Hand schnuppern und trete dann zur Seite in den Bereich, wo der Sattelgurt liegen würde.

Mein persönlicher Tipp: 

Beobachte einmal die Reaktion deines Pferdes, wenn du sofort zu ihm an den Kopf gehst und es da streichelt. Mag es das wirklich? Wenn ja, was machst du genau. Beobachte nur und bewerte nicht.

Ist dein Pferd unsicher, schreckhaft oder sogar ängstlich?

Stell dir vor, dein Pferd würde stattdessen in jeder Situation gelassen und entspannt bleiben. Auch ohne Druck, Stress und Chefgehabe achtet es auf dich und respektiert dich.


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Horsemanship und Bodenarbeit mit Pferden

Anna steht zu nahm am Pferd.

2. Fehler: Zu nah am Pferd stehen.

Würden Pferde dicht gedrängt in einem Bus oder einer Straßenbahn stehen? Wenn sie sich sehr gut kennen – vielleicht (vorausgesetzt sie sehen darin einen Sinn).

Aber kein Pferd würde freiwillig dicht gedrängt neben Artgenossen stehen, denen es nicht vertraut. Denn:

  • Nähe braucht Vertrauen.
  • Vertrauen braucht Zeit.
  • Ich muss wissen, dass der andere die Nähe nicht zu seinen Gunsten ausnutzt.

Ganz oft arbeiten Menschen viel zu nah am Pferd. Es ist manchmal natürlich schwierig genügend Abstand herzustellen, beispielsweise in der klassischen Handarbeit. Dort steht man zwangsläufig nah am Pferd. 

Aber dann wäre mein persönlicher Tipp, dass du diese Nähe langsam vorbereitest. Du musst fair, berechenbar, beständig und klar in deinem Verhalten sein. 

Was meine ich damit? Beobachte dich einmal selbst: Du hast einen persönlichen Raum. In denen darf nur ein wirklich guter Freund oder ein Familienmitglied einfach so rein, aber nicht irgendein Fremder. 

Vielleicht erinnerst du dich noch, wie dir eine Tante oder ein Freund der Familie einfach so den Kopf getätschelt hat. Unsere Tochter, Lea, versteckt sich sofort hinter uns, wenn jemand, den sie nicht gut kennt, einfach zu nah kommen möchte.

Bei Pferden ist das ganz genauso. Natürlich st der individuelle Raum – wie bei uns menschen – unterschiedlich. 

Bei einem unserer Pferde, Fiona, ist der individuelle Raum vielleicht zehn Zentimeter groß. Sie freut sich aber auch, wenn der Tierarzt ihr eine Spritze gibt. Sie ärgert sich, wenn sie nur eine Wurmkur bekommt. Sie liebt Nähe.

Ganz anders bei meiner Araberstute, Roma: Bei ihr ist der individuelle Raum riesengroß. Da kann keiner einfach so hinein latschen. 

Pferde haben Gefühle und Bedürfnisse 

Pferde haben, genauso wie wir Menschen, Gefühle und Bedürfnisse, die erfüllt werden müssen, damit sie  zufrieden und glücklich sind. 

Nur wenn du diese Bedürfnisse respektierst, kannst du mit einem Pferd eine harmonische Partnerschaft eingehen. Harmonie und Balance innerhalb der Herde geht Pferden über alles.

Wenn du seine Bedürfnisse respektierst, wird dein Pferd alles dafür tun, damit euer „Zweierherde“ harmonisiert. 

Wenn dein Pferd dagegen spürt, dass du seine Bedürfnisse entweder nicht kennst oder nicht respektierst, wird es seinen eigenen Weg suchen – und finden. 

"Ich möchte dem Pferd immer zuhören"

Dann arbeitet das Pferd nachher auch im Sattel nicht wirklich zu hundert Prozent mit seinem Reiter zusammen.

Manche Reitschüler sagen zu mir: „Wow, mein Pferd ist aus dem Nichts heraus weggaloppiert“, oder „ Es ist plötzlich zur Seite gesprungen“, oder „Mein Pferd hat aus dem Nichts heraus gebuckelt.“ 

Diesen Reitschülern antworte ich: Nein, das kommt nicht aus dem Nichts heraus. Dein Pferd hat dir das wahrscheinlich schon lange vorher signalisiert, aber aus irgendeinem Grunde hast du nicht darauf geachtet. Du hast seine Bedürfnisse mißachtet.

Mein persönlicher Tipp

Arbeite generell nicht zu schnell zu nah am Pferd. Bereite es langsam und gründlich vor. Wenn dein Pferd merkt, dass du seine Privatsphäre respektiert, indem du weiter auf Abstand gehst, wenn es das möchte, kannst du ganz schnell ganz nah kommen. 

Das Pferd am Strick ziehen

Fehler: Das Pferd am Strick hinter sich her ziehen.

3. Fehler: Das Pferd am Strick ziehen

Kennst du das: Dein Pferd geht gegen den Zügel an, legt sich auf den Zügel oder geht dir beim Reiten plötzlich durch?

Eine häufige Ursache für dieses Verhalten: Du ziehst das Pferd am Strick hinter dir her. Was erstmal seltsam klingt erscheint aber aus Sicht des Pferdes völlig logisch. Warum?  

Pferde können nicht abstrakt denken. Bei uns ist dafür der Frontallappen im Gehirn zuständig (und für viele andere Funktionen auch). Das Pferd hat aber nur einen minimal ausgebauten Frontallappen im Vergleich mit uns. 

Wissenschaftler haben Hirnscans an lebenden Pferden gemacht und festgestellt, dass auch keine andere Hirnregion diese Funktion des abstrakten Denkens beim Pferd übernimmt. 

Pferde können nicht abstrakt denken. 

Wenn du das Pferd am Strick hinter dir her ziehst, bekommt das Pferd folgende Botschaft: Etwas ist an meinem Kopf befestigt, der Mensch zieht daran und ich soll mich vorwärts bewegen. 

Steigen wir jetzt aufs Pferd und nehmen die Zügel in die Hand. Das Pferd geht schritt und soll jetzt stehen bleiben. Der Reiter gibt die entsprechende Sitzhilfe und wirkt mit den Zügeln ein. 

Das Pferd bekommt folgende Botschaft: Etwas zieht an meinem Kopf. Am Boden bedeutete das immer, ich soll mich vorwärts bewegen. Ich befinde mich aber schon in der Vorwärtsbewegung,  im Schritt. Also heißt das Signal an meinem Kopf: Ich soll schneller werden.

Als Reiter möchte ich aber das genaue Gegenteil: Mein Pferd soll entweder im Hals und Genick seitlich nachgeben oder im Genick abkippen und den Widerriet öffnen – ein Teil des versammelten Reitens – oder das Pferd soll rückwärts treten.

Die Zügelhilfe bedeutet niemals: gehe bitte vorwärts.

Da Pferde nicht abstrakt denken, können sie nicht zwischen einem Halfter und einer Trense mit Gebiss unterscheiden. Für Menschen, die abstrakt denken können, ist der Unterschied klar, für Pferde nicht. 

Jetzt stell dir vor, dein Pferd ist schon in der Vorwärtsbewegung, sagen wir mal im Trab, und du möchtest das Pferd verlangsamen, nimmst die Zügel auf, ziehst vielleicht sogar rückwärts. (Das ist generell keine gute Idee.) 

Beim Pferd kommt folgende Information an: Ich bin ja schon im Trab. Mein Reiter zieht an etwas, das an meinem Kopf befestigt ist. Das kann doch nur bedeuten, ich muss schneller traben. (Im Galopp: ich muss schneller galoppieren.) 

Irgendwann findet das Pferd heraus, was der Reiter wirklich meint, aber es ist anfänglich verwirrt. Das ist keine gute Basis für ein harmonisches Miteinander.

Mein persönlicher Tipp

Ziehe das Pferd nicht am Strick hinter dir her, wenn du es führst. Achte auch bei der Bodenarbeit darauf, dass du nicht am Strick, an der Longe oder an den Zügeln (bei der klassischen Handarbeit) ziehst.

4. Fehler: Häufige Vorhandwendungen

Wer reitet schon gerne auf einem buckelnden Pferd. Wenn du darauf gut verzichten kannst, solltest du eine Übung nicht allzu oft machen: Eine Vorhandwendung (Im Horsemanship: Die Hinterhand weichen lassen).

Warum fördert diese Übung das Buckeln?

Das Pferd hat in jeder der drei Gangarten (Schritt, Trab und Galopp) immer eine diagonale Stützbeinphase (beispielsweise linkes Hinterbein und rechtes Vorderbein sind gleichzeitig am Boden), die dem Pferd überhaupt ermöglicht in der Balance zu bleiben. 

Beim Buckeln gibt das Pferd diese Diagonale auf. Es springt quasi von der Vorhand auf die Hinterhand auf die Vorhand auf die Hinterhand usw. 

Zudem buckelt ein Pferd meistens, weil es aus dem Gleichgewicht gekommen ist (zum Beispiel durch zu starken Zeihen am Zügel) oder generell schwer auf der Vorhand ist. 

Ein Pferd mit aktiver Hinterhand buckelt eher nicht (ich meine keinen Freudenbuckler beim ersten Frühlingsausritt).

Das Pferd soll alle vier Beine bewegen

Bei der Vorhandwendung geschieht aber genau das: Die Hinterhand bewegt sich, die Vorhand bewegt sich auf der Stelle, die Diagonale geht verloren.

Ich bringe dem Pferd also genau das bei, was ich eigentlich nicht möchte: Es macht sich schwer auf der Vorhand und gibt die Diagonale in der Bewegung auf.

Je häufiger ich diese Übung mache, desto mehr prägt sich dieser Bewegungsablauf ins Pferd ein – und löst sich später von der eigentlichen Übung ab: Sobald etwas das Pferd vermehrt auf die Vorhand bringt, gibt es die Diagonale auf und muss buckeln um sein Gleichgewicht wider zu erlangen und nicht hinzufallen. 

Natürlich ist die Vorhandwendung nützlich und sollte gemacht werden, aber: Nicht zu oft und nicht ständig sinnentleert auf dem Platz.

Mein persönlicher Tipp

Ich würde diese Übung, wenn das Pferd sie erst einmal verstanden hat, nicht mehr auf dem Platz machen sondern immer in einen Kontext einbetten. 

Beispielsweise wenn du durch das Tor beim Reitplatz gehst oder wenn du von der Weide kommst. Wenn du das Pferd dann umdrehst, damit du das Tor schließen kannst, erkennt das Pferd einen Sinn in der Bewegung. Das ist ein sinnvoller Kontext. 

5. Fehler: Longieren ohne Körpersprache

Aus Pferdesicht sind viele Menschen ziemlich leblos. Das war ich früher auch, muss ich zugeben.

Vor knapp 15 Jahren habe ich Pferde auch ganz normal longiert: Geht das Pferd gegen den Uhrzeigersinn, habe ich die Longe in der linken und die Peitsche in der rechten Hand gehalten und so ein Dreieck gebildet. 

Ich war stolz, wenn nach dem Longieren da, wo ich stand, ein gleichmäßig rundes Loch im Reitboden war – sichtbares Zeichen dafür, dass ich mich in der Mitte mit der Bewegung des Pferdes gedreht hatte, ohne mitzugehen. 

Lerne zu longieren wie ein Pferd

Hast du schon einmal zwei Pferde auf einem Paddock oder Reitplatz beobachtet, die sich gegenseitig longieren? Das Pferd in der Mitte bliebt nicht stehen sondern signalisiert dem Pferd außen durch seine Energie und Körpersprache, wie und wohin es sich bewegen soll.

Wenn du aber in der Mitte stehen bleibst und dich auf die Peitsche verläßt ohne deine Energie und Körpersprache einzusetezn, bist du aus Pferdesicht ziemlich leblos. 

Zudem erkennt das Pferd in deinem Verhalten nichts, was es aus seiner Natur, also dem Leben mit anderen Pferden, kennt (siehe oben wenn zwei Pferde sich longieren).

Wenn du dein Pferd so longierst (oder dich generell in der Bodenarbeit auf Hilfsmittel wie Gerte, Peitsche oder Stick verläßt), legst du das Fundament für eine mechanische Reitweise, die nur mit Gerte oder Sporen funktioniert. 

Jetzt wird es beim Reiten magisch

Wenn du dagegen schon am Boden deinem Pferd beibringst, dass du seine Sprache sprichst, also deinen Körper und deine Energie der Situation entsprechend einsetzt, wird dein Reiten später magisch werden.

Dazu möchte ich dir eine persönliche Geschichte erzählen: Meine Araberstute Roma hatte immer mehr Go als Whoaa – sie galoppierte für ihr Leben gerne. (jetzt ist sie 22 Jahre alt und hat durch einen Unfall eine Arthrose im Kardangelenk). Sie konnte Kilometerlang das Tempo immer weiter steigern. Das war ein wahnsinnig schönes Gefühl, hatte aber einen Nachteil: Sie hielt nicht so gerne an.

Und dann kam dieser magische Moment: Sie trabte an ohne Schenkeleinsatz, nur Kraft meiner Energie; das Gleiche Bein Angaloppieren. Was für ein Gefühl. 

Dann wollte ich verlangsamen und in den Trab durchparieren. Wieder reagierte sie nur auf meine Gedanken und meine Energie. Ich dachte Schritt, fuhr meine Energie herunter – und sie ging Schritt. Ich brauchte keine Zügel, ich musste nicht einmal mein Becken abkippen. Dieses unbeschreibliche Gefühl, das ich hatte, wünsche ich dir auch. 

Das Fundament dafür legst du bereits am Boden.

Mein persönlicher Tipp

Viele Menschen haben Anfangs Schwierigkeiten, ihre Energie wirklich zu spüren. Beobachte dich selbst einmal, wenn du gehst, stehen bleibst oder plötzlich losläufst.  Wie ändert sich deine Energie? Versetz dich in deine Kindertage (Kinder spüren ihre Energie sehr genau) und gehe spielerisch durch die Natur: Hüpf mal hier hin und dort hin, spring auf einen Stein oder spiele mit Freundinnen fangen. 

Timing bei der Bodenarbeit

Wenn dein Timing gut ist, wird die Reaktion deines Pferdes immer feiner.

6. Fehler: Schlechtes Timing stumpft ab

Geht es dir manchmal auch so: Du möchtest dein Pferd longieren, aber statt fein auf deine Hilfen zu reagieren und flott voran zu gehen, schlürft es langsam mit seinen Hufen durch den Sand?

Dein Pferd wirkt irgendwie lustlos und unmotiviert? Und je mehr du dich anstrengst, desto weniger reagiert dein Pferd auf deine Signale?

Dann liegt das vielleicht an deinem Timing. Was meine ich damit?

Schließ einmal die Augen und stell dir folgendes Bild vor: Das Pferd läuft an der Longe brav im Kreis um dich herum. Du schwingst in fröhlichem Rhythmus die Peitsche ohne dass das Pferd sein Tempo oder seine Gangart ändert. Vielleicht unterhält du dich noch mit einer Freundin, die dir vom Reitplatzrand aus zuschaut? 

So stumpfst du dein Pferd ab.

Kommt dir diese Szene bekannt vor? Ich sehe sie sehr oft in den Ställen, die ich besuche. Was ist daran so fatal? Das Pferd stumpft ab. Warum? Weil die Aktion des Menschen nichts mit der Reaktion des Pferdes zu tun hat. Weil Achtsamkeit und Fokus fehlen.

Stell dir vor, du tippst deiner Freundin auf die linke Schulter. Sie schaut nach links zu dir, aber du tippst die ganze Zeit weiter und konzentrierst dich gerade auf eine Sprachnachricht auf deinem Smartphone. Was lernt deine Freundin daraus? 

Du bist abgelenkt und fuchtelst ohne Sinn mit deinem Finger auf ihrer Schulter rum. Ihre Reaktion: Sie ignoriert dich und macht ihr eigenes Ding. 

OK, deine Freundin würde dich auf dein seltsames Verhalten ansprechen. Und ja, dein Pferd fragt dich mittels Mimik und Gestik auch, was du eigentlich willst. Aber weil du unachtsam bist, fällt dir das nicht vielleicht auf.

So verbesserst du dein Timing

Dann macht dein Pferde auch sein eigenes Ding und schlurft mit den Hufen durch den Sand. Was könntest du anders machen?

Du könntest dein Timing verbessern. Was versteht man unter Timing? Das ist der Moment, indem du etwas tust oder aufhörst etwas zu tun, wenn dein Pferd deine Frage richtig beantwortet.

Wenn du beispielsweise möchtest, dass dein Pferd vom Schritt in den Trab geht, signalisierst du ihm das zuerst mit deiner Körpersprache und deiner Energie. Reagiert dein Pferd darauf: Super. Reagiert es nicht, setzt du die Gerte oder Peitsche oder was auch immer als verlängerten Arm ein: Du hebst beispielsweise die Gerte oder die  Peitsche an.

So versteht dich dein Pferd besser

Trabt dein Pferd darauf hin an, senkst du sie sofort wieder, weil es richtig reagiert hat. Dein Timing war gut. Läßt du den Arm dagegen oben, weiß dein Pferd nicht, was du gemeint hast. Dein Timing müsste besser werden.

Trab dein Pferd immer noch nicht an, läßt du die Gerte vibrieren oder schwingst die Peitsche in Richtung seiner Hinterhand. Reagiert es jetzt, Hörst du sofort auf und senkst den Arm wieder.

Das verstehe ich unter perfektem Timing: In dem Moment, indem dein Pferd in die richtige Richtung denkt, hörst du auf.

Wenn du dagegen dein Pferd am Boden durch permanente Einwirkung abstumpfst, wird es dich auch später im Sattel ignorieren – egal ob es deinen Schenkel, deinen Sitz oder deine Zügeleinwirkung ignoriert. 

Dein Pferd stumpft durch schlechtes Timing ab. Durch gutes Timing wird es wach, aufmerksam und unglaublich fein auf deine Hilfen reagieren.

Mein persönlicher Tipp

Das Timing ist dann richtig gut, wenn dein Pferd in die richtige Richtung denkt – noch bevor es sich bewegt hat. Achte deshalb auf feinste Signale in seinem Gesicht und seiner Körpersprache. Wenn es dich versteht und deiner Bitte, beispielsweise rückwärts zu treten, nachkommen möchte, siehst du das dort schon bevor es eine Bewegung gemacht hat. 

Gibst du dann nach, ist dein Timing perfekt.

Das Pferd bleibt nicht ruhig stehen

Bereits am Boden kann jeder seinem Pferd beibringen ruhig stehen zu bleiben.

7. Fehler: Das Pferd bleibt nicht stehen.

Bei dieser Reiterin war ich zuerst verwirrt und dann schockiert: Sie hatte ihr Pferd gesattelt und getrenst und ging mit ihm Richtung Box. Seltsam, dachte ich, wollte sie nicht ausreiten? Vielleicht musste sie nochmal auf Toilette?

Sie führte ihr Pferd in die Box und stieg dort auf. Warum in der Box, fragte ich sie. Die Antwort: Weil sie nicht ruhig stehen bleibt sondern lostrat sobald ich den Fuß im Steigbügel habe. 

Das ist keine Kleinigkeit sondern ein riesiges Problem. Warum? Viele Reiter glauben, es sei nicht so schlimm, wenn ihr Pferd einfach so losgeht. Aber ob ein Pferd im Schritt losgeht oder weggaloppiert hängt von den äußeren Umständen und der inneren Verfassung des Pferdes ab. 

An der Straße muss ein Pferd stehen bleiben

Zudem gibt es Situationen, in denen ein Pferd einfach stehen bleiben muss, bis du das Kommando zum weiter gehen gibst: Beispielsweise an einer stark befahrenen Straße oder wenn euch Autos entgegenkommen und ihr in einer Einfahrt warten müsst, bis sie vorbei sind.

Den Unterschied zwischen stehen bleiben und losgehen kannst du deinem Pferd sehr gut vom Boden aus klar machen. Wenn es das hier verstanden hat, ist es auch im Sattel kein großes Ding mehr. 

Im Prinzip ist es sehr einfach: Wenn du stehen bleibst, bleibt auch dein Pferd stehen. Wenn du gehst, geht auch dein Pferd.  

Das bedeutet: Du agierst, dein Pferd reagiert, und nicht umgekehrt. Je achtsamer du im Alltag bist und je klarer du diesen Unterschied kommunizierst, desto besser reagiert dein Pferd auf dich.

Mein persönlicher Tipp

Gerade wenn du mit StallkollegInnen unterwegs bist, leidet die Achtsamkeit, weil ihr euch unterhaltet. Dagegen ist ja auch nichts einzuwenden. 

Wenn ihr aber beispielsweise eure Pferde anwendet und dein Pferd sich grasend weiter bewegt, passiert häufig folgendes: Der Führstrick spannt sich, dein Pferd geht weiter und du folgst ihm. In diesem Fall agiert dein Pferd und du reagierst, also das Gegenteil von dem, was du willst. Deswegen achte auch im Stallalltag darauf, wer zuerst losgeht beziehungsweise stehen bleibt. 

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